Sonntag, 17. Juli 2011

Der Zauberwald

Es war einmal ein bunter Zauberwald, dessen uralte Baumriesen mit ihren verschlungenen Lianen in einem dichten Gestrüpp von Büschen und Gräsern standen. Der weiche Waldboden war trocken und warm und alles war erfüllt von duftenden Blüten, Schmetterlingen und wilden Tieren. Und wenn morgens die Sonne aufging, wurde die Luft von einem Brausen erfüllt, in dem das Zwitschern der Vögel, das Surren der Insektenstaaten und das Rauschen der Winde sich zu einem weichen Netz versponn, in dem die Königen des Zauberwaldes geduldig lag, und über alle und jeden mit großer Liebe wachte. Sie war in wallende, weiße Kleider gehüllt und noch ganz jung, keine 14 Jahre alt. In Wirklichkeit war sie noch ein kleines Mädchen und doch hielt sie allein, all die Lebensfäden des Zauberwaldes in ihren Händen. Einst, so erzählt man sich, vor langer, langer Zeit, lag auf dem damals noch tief verschneiten Wald eine schwere Melancholie und keine Blume war je gesehen. Bis eines Tages ein schillernder Kondor über die Wipfel des Waldes flog und der Schnee schmolz, alles aufblühte und dem Wald seine Melancholie genommen war. Man sagt, er habe damals die gestalt eine kleinen Jungens angenommen und sich im Walde versteckt. Seit dem rankten viele Geschichten um den Zauber im Zauberwald, die Waschbären und Fischotter erzählten es ihren Jungen zum schlafen gehen, nicht nur Sonne und Regen brauche der Wald, seine Kraft ziehe er aus einem seltenen Lebenselixier. Nur die Tränen der Königin konnten verhindern, dass alles verdorrte und das große Kälte über das Land ziehe. Niemand hatte die Königin je weinen sehen, sie strahlte meist wie die Sonne. Doch trug sie eine schwere Melancholie in sich und behielt das als Geheimnis für sich. Jede Nacht, wenn alles glücklich und zufrieden schlief, rollte sie sich zu einem Kokon zusammen und wurde von einer bleiernen Schwere zu Boden gezogen. Dann erlöste ihr lautloses Schluchzen ein Bächlein dicker Tränen, die ihr über die Wangen in den Waldboden liefen. Jede Nacht brach es so aus ihr heraus. Sie war noch so jung und noch nicht kräftig genug um diese Bürde zu tragen. Die Schwere zog sie Nacht für Nacht tiefer zu Boden, raubte ihr bald alle Freude am Leben und machte sie kalt und leer. Und eines Nachts, nachdem sie für Stunden nur geweint hatte und ihr Schluchzen schon weit zu hören gewesen war, zerbrach etwas in ihr, sie öffnete ihren Kokon in schwarzer Nacht und hatte seit dem ihr strahlen verloren. Grau und kraftlos saß sie auf dem Boden des Zauberwaldes und die Tiere des Waldes kamen herbei. Doch keines konnte ihr helfen, keines konnte sie heilen. Sie hatte einfach keine Tränen mehr übrig und der Wald schien seinen Zauber zu verlieren. Und von diesem Tag an, fiel kein einziger tropfen Regen mehr und die Königin sah zu, wie erst die Gräser verdorrten, dann die Büsche und bald auch die stolzen, großen Bäume. Die Tiere des Waldes suchten das Weite, da es jeden Tag kälter und kälter wurde. Als der erste Schnee fiel rollte die Königin sich wieder zu einem Kokon zusammen und war als weiße Kugel unter der wachsenden Decke aus Schnee bald kaum mehr zu sehen. Kein Tag verging an dem sie nicht versucht hatte zu weinen, doch fehlte ihr dazu die Kraft. Als nach ein paar Wochen in all der Eiseskälte nichts mehr übrig war vom Zauberwald und die junge Königin einsam, halb erfroren und eingerollt im ewigen Eis ans sterben dachte, hörte sie ein eigentümliches Geräusch, dass sich vom Zischeln der Schneeverwehungen abhob.
“Hicks!” und noch einmal “Hicks!” Sie öffnete vorsichtig ihren Kokon und steckte ihre Nasenspitze heraus. Ein torkelnder Pinguin mit feuerroter Pudelmütze und kleinem Rucksack kam in Schlangenlinien auf sie zu. Mit viel Eifer, jedoch wenig Geschick versuchte er ein eisenbeschlagenes Holzfässchen vor sich her zu rollen. Verwundert öffnete die Königin weit ihre Augen und reckte den Hals. Der Pinguin sah derart putzig aus in seinem vornehmen Pudelmützenfrack, dass sie für einen Moment die Kälte in ihren Knochen vergaß. “Wumms!”, rief er laut aus, als er das Gleichgewicht verlor und zur Seite umkippte. Alle Viere von sich gestreckt, lag er ein paar Pinguinatemzüge lang auf dem Rücken. Dann rief er laut “Budderbrooooooot!!!” und zauberte damit ein Lächeln auf das Gesicht der Königin. Dann zog er alle viere wieder zu sich, verharrte so einen Moment, rief “uuuuuuund…” und sprang mit viel Schwung wieder auf seine Füße “Schnapppps!!!”, und ruderte nach Gleichgewicht mit seinen Stummelflügeln. Noch sehr wacklig auf den Füßen, nuschelte er “Budderbroot mit Schnapps!!” und versuchte sich, etwas erschöpft, auf seinem Fässchen abzustützen, was prompt davon kullerte und ihn wieder, wie einen Mehlsack vorn über umfallen ließ. Die Königin durchfuhr einen Ruck, so als wollte sie den Pinguin noch schnell stützen, doch war er dazu viel zu weit weg. Dann lachte sie kurz auf und rief: “He duuu…” Der Pinguin war so unglücklich umgefallen, dass sich sein spitzer Schnabel tief ins Eis gebohrt hatte und nun feststeckte. Er antwortete “Hmmhmmhmmhmm!!!!!” Und die junge Königin lachte. “Na da sind wir wohl umgefallen!!!”, und stand auf, um dem Pingin hoch zu helfen. Doch der machte sich aus der verzwickten Situation einen Spaß und fing mit den Füßchen an zu paddeln, so dass er sich immerzu im Kreis um seinen Schnabel drehte und rief dabei “Uuuuiuuiuiuiiiuiiiuiiiii!!!”. Und die Königin lachte und lachte und konnte gar nicht mehr aufhören. Bis er aus dem Kreislauf ausbrach, auf sie zu glitt und auf allen vier Buchstaben sitzend etwas schielend stotterte “Budderbrooot mit Schnappps!”” und der Königin dabei vor lauter lachen eine Träne die Wange herunter lief. Ein warmer Wind fuhr durch ihre wallenden Kleider. Sie wischte sich vorsichtig die Träne ab und hielt sie vor sich in den Wind. Ein kleiner glitzernder Tropfen lag auf ihrem Finger. Und ganz langsam, wie einen junges Küken balancierend, führte sie ihren Finger zu Boden und ließ die Träne im Eis versickern. Und augenblicklich schmolz das Eis und ein Loch entstand, dann ein Kegel, dann ein ganzer Krater, der auch bald blanken Erdboden frei legte und der wuchs und wuchs und wuchs. Im Nu standen die Königin und der Pinguin auf fester Erde, aus der Gräser und Blüten sprießten. Und sie lachte laut auf vor Glück und der Pinguin rief “Budderbroooooot” und ihr liefen Freudentränen über die Wangen.
Ein paar Wochen später stand der Zauberwald schon wieder in seiner ganzen Pracht, ganz wie früher und schöner da. Die Königin und der Pinguin mit der feuerroten Pudelmütze waren dicke Freunde geworden und hatten gemeinsam einen kleinen Wanderzirkus aufgemacht. Gemeinsam mit dem Löwen, dem Schaf, der Giraffe und der kleinen Feldmaus zogen sie durch den Zauberwald, führen Zaubertricks und allerlei Unfug auf und hatten dabei einen Riesenspaß. Und manchmal, da weinte die Königin ein paar Freudentränen. Und als einmal ein kleiner Junge den Zirkus besuchte und die Königin vor Freude weinen sah, lachte er und verwandelte sich in einen schillernden Kondor und brach auf.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie alle heute noch, im Zauberwald.

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